Infektiologie
Die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie empfiehlt, folgende fünf Interventionen zu vermeiden:
1) Verschreibung von Antibiotika gegen unkomplizierte Infekte der oberen Luftwege
Antibiotika sind im Zeitalter der zunehmenden Antibiotikaresistenz zurückhaltend einzusetzen. Da viele Infektionen der oberen Luftwege viraler Natur sind, nützen Antibiotika sowieso nichts.
Referenz:
National Institute for Health and Clinical Excellence (NIH), Center of Disease Control (CDC), the Infectious Diseases of America (IDSA)
Evidenzlevel:
multiple randomisiert-kontrollierte Studien
2) Durchführung einer Borrelien-Serologie ohne spezifische Symptome
Die Borrelien-Serologie erlaubt keine Aussage über eine allfällige Aktivität der Erkrankung. Patientinnen und Patienten sollten das Risiko von Überdiagnostik und Überbehandlung verstehen, bevor sie sich einem Test unterziehen.
Referenz:
Center of Disease Control (CDC), American College of Physicians, Swiss Society of Infectious Disease
Evidenzlevel:
randomisiert-kontrollierte Studien; Guidelines
3) Verlängerung der postoperativen Antibiotikaprophylaxe
Eine Verlängerung der postoperativen Antibiotikaprophylaxe verhindert chirurgische Wundinfektionen nicht effektiver als eine kürzere perioperative Prophylaxe. Ausserdem ist eine verlängerte Prophylaxe ein Risikofaktor für erworbene Antibiotikaresistenzen.
Referenz:
American Society of Health-System Pharmacists (ASHP), Infectious Diseases Society
of America (IDSA), Surgical Infection Society (SIS), Society for Healthcare Epidemiology
of America (SHEA).
Evidenzlevel:
multiple prospektive Kohortenstudien, Metaanalysen
4) Urinkatheter bei Inkontinenzbeschwerden oder mit dem alleinigen Zweck der Messung der Urin-Ausscheidung sollen bei nicht-schwerkranken Patienten vermieden werden
Die Notwendigkeit und der Nutzen von Urinkathetern sollten regelmässig mit Patienten diskutiert und vom Gesundheitspersonal hinterfragt werden. Institutionen sollten Richtlinien zu den Indikationen und Strategien für das Absetzen und Auswechseln der Urinkatheter haben.
Referenz:
Infectious Diseases Society of America (IDSA)
Evidenzlevel:
randomisiert-kontrollierte Studien und prospektive Kohortenstudien
5) Keine Testung für Clostridium difficile ohne Symptome
Weil asymptomatisches Trägertum vorkommt, sollten Patienten ohne Durchfall
nicht getestet oder behandelt werden. Mikrobiologische Laboratorien sollten Stuhluntersuchungen von geformtem Stuhl ablehnen.
Referenz:
Infectious Diseases Society of America (IDSA), Society for Healthcare Epidemiology
of America (SHEA).
Evidenzlevel:
randomisiert-kontrollierte Studien und prospektive Kohortenstudien
Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie (SGINF)
Informationsflyer zu dieser Liste
Zur Ausarbeitung dieser Empfehlungen:
Zur Erstellung der Top-5 Liste wurden vom Vorstand der SGINF eine Vorauswahl von zehn möglichen Empfehlungen getroffen, wobei hier auch zum Teil die Choosing Wisely Recommendations der Infectious Disease Society der American Society (IDSA; (www.choosingwisely.org) berücksichtigt wurden. Die Liste der vorgeschlagenen Empfehlungen umfassten einerseits diagnostische (Blutentnahmen, Blutkulturen, Stuhluntersuchungen) und andererseits therapeutische (Antibiotikaverschreibung systemisch und lokal, Blasenkatheter) Massnahmen. Im Anschluss wurden die Mitglieder der Fachgesellschaft gebeten, jede der zehn Empfehlungen anhand einer 4-Punkte-Skala zu bewerten (4 = extrem wichtig, 3 = sehr wichtig, 2 = weniger wichtig, 1 = nicht wichtig). Nach Erhalte der Ergebnisse wurde die 5/10 Empfehlungen mit den höchsten Bewertungen ausgewählt. Dabei scheint der zurückhaltende Einsatz von Antibiotika eine der wichtigsten Empfehlungen zu sein.